… über traumatisierende Folgen
von Polizei- (und anderer) Gewalt
und wie wir da wieder rauskommen
Ein kleiner Ratgeber zur Begleitung von politischem Aktivismus,
insbesondere zum Umgang mit belastenden Erlebnissen
vor, während und nach einer Aktion
vom Out Of Action Support Kollektiv
-Worum geht es
-Mögliche Reaktionen auf
belastende Situationen
-Was ihr als Gruppe tun könnt
-Wie du deine*n Freund*in
unterstützen kannst
-Was du für dich selbst tun kannst
Worum geht es?
Wer politisch aktiv ist, kann in Situationen kommen, in denen repressive Gewalt gegen eine*n selbst oder gegen nahe stehende Menschen ausgeübt wird. Erlebnisse, wie die direkte Gewalt der Bullen auf Demos, die Konfrontation mit Nazis oder die Verfolgung durch den Verfassungsschutz, können Angst, Perspektivlosigkeit, Stress und Zerrissenheit auslösen. Solche Angriffe können auf emotionaler Ebene wesentlich länger nachwirken, als sichtbare körperliche Wunden.
Nicht jede Gewalterfahrung führt zu einer längerfristigen Belastung oder gar einem Trauma. Dabei spielen viele verschiedene Faktoren eine Rolle. Es ist sehr unterschiedlich wie mensch mit solchen Erfahrungen von Repression und Gewalt umgeht – da sind Grenzen und Verhalten so individuell wie der Mensch selbst. Mit unterschiedlichen Reaktionen auf das Erfahrene braucht es einen solidarischen Umgang, der auf die jeweiligen Bedürfnisse der betroffenen Person eingeht.
Ist dies nicht gegeben, z.B. wenn es tabuisiert wird über Ängste zu sprechen, dann ziehen sich die Betroffenen oft aus ihrem politischen und persönlichen Umfeld zurück.
Dabei ist es das Ziel von Repression und Gewalt, Menschen langfristig einzuschüchtern und ihnen ein Gefühl der Ohnmacht gegenüber staatlicher Herrschaft zu vermitteln. Ein guter Umgang mit Ängsten und anderen Emotionen, sollte Teil eines jeden linksradikalen Selbstverständnisses sein.
Im Prinzip kann jede belastende Situation in der eine Person handlungsunfähig ist (oder sich so fühlt) zu einer Traumatisierung führen. Durch einen Mangel an Unterstützung können die Reaktionen auf eine belastende Situation verstärkt werden. Das kann oft schwerwiegender sein, als das Erlebte selbst und ist daher äußerst ernst zu nehmen.
Folgen von Repression, auch die emotionalen, sind keine Privatsache. Sie gehen uns alle an und gemeinsam können wir ihnen etwas entgegensetzen.
Mögliche Reaktionen auf belastende Situationen
Wiedererleben des Erlebten
Nicht in der Lage sein, aufreibende Bilder und Erinnerungen beiseite zu legen; Flashbacks (das Gefühl, wieder in der erlebten Situation zu sein); Albträume
Vermeidungs-/ Verdrängungsverhalten
Erhöhter Alkohol/Drogenkonsum; sich zurückziehen und isolieren; soziale Aktivitäten reduzieren; Erinnerungsverlust; Vermeidung von allem, was mit dem Erlebten zu tun hat oder einen daran erinnert; Aufbau einer Distanz zu dem Geschehenen; Veränderung von Ess- und Schlaf- sowie von sexuellen Gewohnheiten
Übererregbarkeit
Schlaflosigkeit; Unruhe, Gefühls- und Wutausbrüche; Konzentrationsschwierigkeiten; Schreckhaftigkeit; Reizbarkeit; Ärger; unkontrolliertes Weinen; Magenschmerzen; Übelkeit; Muskelspannung; Furcht; Ängstlichkeit; übertriebene Wachsamkeit
Kommen kann es auch zu
• Panikattacken; Schuldgefühlen; Scham; Selbstbeschuldigung
• Keine Freude am Leben haben; sich allein/ verlassen, taub oder abgeschaltet fühlen; Unfähigkeit Entscheidungen zu treffen
• Das Infrage stellen von politischem Engagement und zwischenmenschlichen Beziehungen
• Gefühl, dass das Leben keinen Wert/Sinn mehr hat
• Möglichem Hochkommen von Erinnerungen an vorhergehende Traumata; nicht daran glauben, dass diese Phase jemals vorbei gehen wird; keine Pläne für die Zukunft machen
Manchmal tauchen die Reaktionen auch erst viel später auf (Wochen oder sogar Jahre nach dem Ereignis). Durch unser Verhalten können wir uns und andere bei der Verarbeitung von solchen Erfahrungen unterstützen. Ein Ziel ist dabei, die belastende Situation in das Leben der Betroffenen zu integrieren – denn sie kann die Person verändern und nicht ungeschehen gemacht werden. Menschen reagieren jedoch sehr unterschiedlich auf ein belastendes Erlebnis.
Was ihr als Gruppe tun könnt
• Redet VOR einer Aktion darüber, wie gut oder schlecht ihr euch gerade fühlt und wo eure Grenzen sind. Werdet euch darüber einig, von wem ihr in unvorhergesehenen Situationen Unterstützung erwartet – auch wenn ihr plötzlich „raus“ wollt und eine Menschen braucht, der bei euch bleibt. Bildet Bezugsgruppen und passt aufeinander auf!
• Nehmt euch Zeit, um nach einer Aktion darüber zu reden, was passiert ist. Gebt allen, die von euch dabei waren und darüber reden möchten, Raum um zu erzählen wo sie waren, was sie gemacht, gesehen, gehört und was sie dabei gefühlt/gedacht haben. So kann mensch die Geschichte vervollständigen und besser verstehen.
• Nicht nur verletzte Menschen brauchen Unterstützung, auch Unterstützer*innen sollten auf ihre Bedürfnisse und Grenzen achten und entlastet werden.
Wie du deine*n Freund*in unterstützen kannst
• Warte nicht, bis du um Hilfe gefragt wirst, sondern versuch für sie/ ihn da zu sein. Die Tage direkt nach der belastenden Situation sind besonders wichtig zum Reden, danach wird oft „zugemacht“. Traumatisierte Menschen isolieren sich häufig.
• Vielleicht fühlst du dich unsicher und weißt nicht, wie du dich verhalten sollst. Um die Reaktionen besser verstehen zu können, informiere dich über das Thema Trauma. Einfach „normal“ sein, ohne zu bemitleiden und ohne aufdringlich zu sein, kann viel helfen. Bemüh dich gleichzeitig den Reaktionen gegenüber tolerant zu sein. Wichtig ist auch, dass dein*e Freund*in sich in deiner Gegenwart wohl und sicher fühlt.
• Vergiss nicht, dass Menschen nach belastenden Erlebnissen anfangs oft „ok“ erscheinen und die Reaktionen erst später auftreten können.
• Versuch ein*e gute Zuhörer*in zu sein. Oft tendieren wir dazu Rat zu geben, anstatt wirklich zuzuhören.
• Erzählen hilft das Erlebte zu verarbeiten. Ermutige dein*e Freund*in behutsam aber ohne Druck, das Erlebte der Reihenfolge nach zu erzählen: Gefühle, Sinneseindrücke, Gedanken, etc …
• Bohren, d.h. krampfhaft versuchen, die Person dazu zu bringen über etwas zu reden, worüber sie nicht reden will, bewirkt Rückzug und Distanzierung.</p
• In diesem Kontext empfinden Menschen oft die Erledigung selbst kleiner Aufgaben als sehr schwer. Kochen, Abnehmen von Verantwortlichkeiten etc. können sehr hilfreich sein, aber achte darauf ihre*seine Selbstbestimmung nicht einzuschränken.
• Versuche es nicht persönlich zu nehmen, wenn dein*e Freund*in gereizt reagiert oder unnahbar erscheint und mach deine Unterstützung nicht davon abhängig. Dies sind Reaktionen, die oft nach einer belastenden Situation vorkommen können.
• Versuche geduldig zu sein. Zu sagen „Jetzt müsstest du aber langsam mal darüber hinweg sein, nimm dein Leben in die Hand“, erreicht meistens nur, dass Menschen sich unverstanden fühlen und Distanz einnehmen.
• Auch für dich kann diese Zeit sehr schwer sein. Pass auf dich auf und sei gut zu dir. Rede mit anderen darüber, wie es DIR geht.
Was du für dich selbst tun kannst
• Sag dir: Deine Reaktionen sind normal und es gibt Unterstützung! Nimm dir Zeit, sei geduldig mit dir und verurteile dich nicht für deine Verfassung. Innere Wunden brauchen ebenso Zeit und Ruhe um zu heilen wie äußere. Dies ist eine schwere Phase, aber sie wird vorbei gehen.
• Nach einer belastenden Erfahrung: Geh an einen Ort, an dem du dich sicher und wohl fühlst. Versuche dich zu erholen und lass zu, dass sich Menschen um dich kümmern.
• Bewegung baut Stress ab. Spazieren oder Laufen zur Beruhigung tut manchmal besser als sich hinzusetzen.
• Versuche dich nicht zu isolieren. Wende dich an deine Freund*innen, denen du vertraust und sag, dass du Unterstützung brauchst.
• Eine häufige Reaktion ist, dass es dir weh tut, wenn andere damit besser fertig zu werden scheinen als du. Mach dir bewusst, dass Menschen unterschiedlich reagieren.
• Die Stärke der Reaktionen kann auch mit vorherigen Traumata zusammenhängen. Es ist kein Zeichen von Schwäche, nach einer Verletzung Schmerzen zu haben.
• Dich für das Geschehene selbst verantwortlich zu machen, ist eine Reaktion, die mit einem Trauma oft einhergeht. Mach dir klar, dass das Geschehene nicht dein Fehler ist – die Schuld liegt bei den Täter*innen.
• Familie und Freund*innen wissen oft nicht, wie sie mit dir gut umgehen können. Sprich Sie an, wenn du ihr Verhalten nicht als hilfreich empfindest, sage was du brauchst.
• Tees, z.B. Baldrian, können beruhigend wirken genauso wie Massagen und heiße Bäder. Versuche herauszufinden was dir gut tut. Alkohol bzw. Drogen können sich langfristig eher negativ auswirken.
• Um deine Reaktionen besser zu verstehen, informiere dich über das Thema Trauma.
Falls ihr euch diese Infos ausdrucken wollt etc, hier ihr Zine
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unterschiedliche Sprachen hier:
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